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gastX-:
Zuweilen versuche ich eine Art intrinsischer Perspektive einzunehmen, indem ich menschliches Verhalten nicht individuell, sondern systemisch betrachte. So gesehen haben die Systeme wie z.B. Gesellschaft, Familie, Erziehung, Lebenswelt, Lebenslage, meines Denkens unmittelbare Auswirkungen auf das Denken und Handeln eines Individuums. Es kann folglich nicht allein verantwortlich sein für sein Tun, sondern Denken und Handeln sind Ausdruck der bedingenden Systeme.
Eine solche Sichtweise (die über die allgemein übliche Unterscheidung von Ich und DU, Täter und Opfer hinausgeht/ tranzendiert) erzeugt naturgemäßen Widerspruch, zumal ich ja das Paradigma individueller Entscheidungsfreiheit (von zB. gut- und böse) in Zweifel ziehe. Einerseits finde ich solchen Widerspruch sehr angenehm, da in ihm Partei für die jeweiligen Opfer ergriffen wird! Andererseits entsetzt mich dieser Widerspruch, da er der Nährboden dafür ist, dem Täter (nach dem Motto Aug um Aug...) u.U. gleiches Leid zuzufügen wie das, was durch ihn in die Welt kam. (Das ist als wirft man zum Löschen Holz ins Feuer.)
Wenn wir es wirklich ernst nehmen, dass alles aus Bedingungen heraus entsteht, dann sollten wir die (systemischen) Bedingungen beachtsam ändern, statt ihre boshaften Auswirkungen mit Feindschaft und Gewalt gegenüber Individuen zu beantworten. Individuelles Handeln ist meines Denkens nur Ausdruck der jeweiligen Systeme in deren Fokus der Einzelne interagiert.
Mit anderen Worten: Wenn unser Mitgefühl auf diejenigen begrenzt ist, die uns vertraut und liebenswert erscheinen, sind wir geistig beschränkt und malen weiterhin am Bild von Freund und Feind, in welchem das Du dem Ich letztlich immer etwas Fremdes haben wird.
gastX-:
Liebe Irmela,
ich bin mir da nicht so sicher, dass ein jeder vom Schicksal nur aufgebürdet bekommt was tragbar ist.
Jahrzehntelang war ich sehr selbstherrlich in meiner Kritik gegenüber meinem Vater, der im 3. Reich an der Belagerung Stalingrads beteiligt war. Ich beschuldigte ihn, sowie fast das gesamte deutsche Volk, die Graultaten jenes Weltkrieges verursacht zu haben. Als Kriegsdienstverweigerer fiel es mir leicht jene Generation des kollektiven Wahnsinns zu bezichtigen.
Doch nun, nun frage ich mich, ob ich mich wirklich hätte an die Wand stellen lassen, statt ein braver Soldat zu sein, der die Interessen des eigenen Volkes im Ausland verteidigt; so wie die Interessen des Kapitals auch heutzutage im Ausland verteidigt werden.
Ja, ich war (vor langer Zeit) in Afghanistan und sprach mit einem Vater dessen Kinder in den Bergen hungerten und der um ihres Überlebens willen dort unten in der Ebene, wo die wohlhabenden Touristen durch das Land fuhren, Straßensperren errichtete, um sich ihres Reichtums als nährende Beute zu bedienen. Ich frage mich, liebe Irmela, was ich denn als Vater zu tun bereit wäre, wenn das Schicksal uns so hart prüfte, dass wir unsere Kinder verhungern sehen würden. Was würdest du mir dann raten, so dass auch ich nicht zum Dieb und Mörder würde?
Ach, ich wünsch uns allen ein angenehmes Schicksal, so dass wir ohne Not gute Menschen bleiben können...
unstet0:
:-) Was genau? Es ist ganz einfach. Weil wir reflexartig alles bewerten, breiten wir eine große Matte über unser ganzes Leben, alle Umstände und Erlebnisse. Dadurch töten wir den Buddha, jeden Moment neu. Heißt es nicht"Du sollst nicht töten"?
Erst wenn man versteht, wie die Gefühle auf Situationen reagieren, kommen und gehen, wird das eigentliche Wesen unabhängig und frei von Launen, welche ohne Ende kommen und gehen. Und dann fängt man an, zu leben.
Zazen kann diese Haltung fördern, das ist eigentlich schon alles.
Ich hätte nie gedacht, daß das auch langweilig sein kann. Aber Du hast Recht, es ist könnte herrlich langweilig sein, das wäre ganz wunderbar :)
Irmela:
Hallo GastX,niemand bekommt vom Schicksal mehr als er tragen kann,ich bin an meinem Schicksal, in aller Schwere,gewachsen.Viele Menschen Heutzutage schrecken schon vor einer Regenpfütze zurück....Liebe Grüße von Irmela
jishu:
hallo gastx,
deine Ausführungen finde ich teilweise schön, teilweise auch hilfreich.
aber mit der klassischen Interpretation und Überlieferung der Ochsenbilder und ihrer Umsetzung in unserem Alltag hat es weniger zu tun. soweit mein Verständnis.
nichtsdestoweniger eine nette eigene Interpration.
gastX-:
Wie die Finger unserer Hand sind alle Menschen unterschiedlich. Obwohl sie sie einander ähneln sind sie dennoch individuell. Jeder hat seine spezifischen Fähigkeiten und seine eigene Kraft und dennoch wirkt in ihnen die eine Kraft unserer Hand.
Weil unsere Körperform aus individuellen Genen erwuchs, er einen eigenen Namen bekam und weil wir spezifisches Wissen und selektive Erfahrungen sammelten, haben wir unterschiedliche Fähigkeiten, Eigenschaften, Ansichten. Dieses recht äußerliche Profil nennen wir Persönlichkeit, worin wir uns von allen anderen unterscheiden. So unterschiedlich ausgestattet werden wir in unterschiedlichen Lebenswelten und Bedingungen schliesslich erwachsen und mit den jeweiligen Herausforderungen des Schicksals konfrontiert. Je schwerer sie sind, desto wahrscheinlicher ist es daran zu zerbrechen (im Glaube, Hoffnung, Liebe). Jene die scheitern, sind Lügner, Diebe, Mörder.
Wenn wir selbst deren Körper, Wissen, Erfahrungen, Fähigkeiten und Schiksalsaufgaben hätten, würden wir sie unter jenen Bedingungen besser zu meistern wissen? Sind nicht all jene Persönlichkeiten den Hornochsen gleich, welche unterschiedlich sind, wie die Finger unserer Hand? Sie zu vereinen in einem freundlich herzhaften Händedruck, welcher aus Mitgefühl, Herz und Verstand erwächst, hat meines Denkens etwas von jenen Hirten, welche manchmal sogar ganze Herden meisterlich gut zu hüten wissen.
jishu:
hallo Mil,
einpaar Antwortsversuche zu deinen Nach-Fragen.
1. "WER ist es, der den Weg geht? Was ist dieses Unbedingte?"
--diese Frage wird in ähnlicher Form auch als Koan bearbeitet. auch nachdem man sie mit dem Lehrer "geklärt" hat, kann man sie noch "bis zum Ende" mit sich mittragen, um immer tiefer in sich hineinzuhorchen...
es ist nicht möglich in Worten zu erklären oder vom "bedingten" Normalbewusstsein heraus zu begreifen. zumindest gelingt mir die Erklärung nicht, ohne dass irgendwelche Missverständnisse auftreten. aber: wenn du es siehst erkennst du es selbst, und weißt bescheid.
ein kleines Zitat aus dem Mumonkan: "es ist wie ein Taubstummer, der einen Traum hatte und niemandem davon erzählen kann"
2."Aber noch etwas: die Freiheit von der du sprichst, ist sie denn nicht doch an die jeweilige Situation gebunden und damit bedingt? (Ich denke, eben da überschneiden sich eben auch die relative und die absolute Ebene.)"
--äußerlich ist natürlich die Situation da, was innerlich bei dir passiert, ist aber eine andere Frage, was löst es bei dir aus, kommen da Automatismen, oder bist du auf eine freie Art vom äußeren geschehen berührt, sodass du "frei" (re-)agieren kannst? diese Frage steht da bei mir eher im Zentrum.
Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und nicht nur sagen, die Ebenen überschneiden sich, sondern sie durchdringen sich sogar!
3."Könnte es aber nicht genauso sein, dass eben auch die "Sternstunden" Resultat der verschiedenen Ursachenketten sind, die dazu geführt haben dass sie sich ereignen konnten? Das wäre eine andere Sichtweise, die gar nicht so absurd ist."
--da stimme ich dir rein kausal gesehen prinzipiell zu. aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Lehre des Buddha oder der zen-Weg nicht die Welt auf eine kausale Art und Weise beschreiben wollen, wie es die Physik tut. es geht hier eher darum, was passiert in meinem Geist, welche Prozesse treten da auf und ziehen was nach sich. in diesem Sinne sind die Begriffe wie "bedingt" und "un-bedingt" zu verstehen und nicht als naturwissenschaftliche Gesetze. ich werde sicherlich nicht durch die Zen-Praxis die Umdrehung der Erde und den Verlauf der Jahreszeiten verändern, jedoch können sich meine Wahrnehmung verändern/erweitern und bedingte Automatismen aufhören.
4."Dann gäbe es keinen, der den Weg geht, sondern der Weg geht sich selbst."
--wer ist es der diese Zeilen liest? wer ist es, der jetzt eine Ähnlichkeit zu Punkt 1 erkennt?
danke für dieses weitere Koan ;-)
Vielleicht ist ja "freier Wille" gar nicht der richtige Ausdruck. Du sprichst von freiem, der Situation angemessenen Handeln. Und davon, dass man erst im Rückblick merkt, was da eigentlich passiert war. Genau dabei ist ja eben der Eigenwille des Ego nicht vorhanden - man hat sich eben nicht bewusst, reflektiert für das Handeln entschieden, sondern sich voll und ganz auf die Situation eingelassen. Aber was ist das? Wenn es un-bedingt ist, kann es nicht in den Skandhas sein. Es ist nicht das, was man gewöhnlich für sein "Ich" hält. Und da wird es problematisch in der buddhistischen Lehre, weil letztlich ja ein tatsächlich existierendes "Subjekt" abgelehnt wird. WER ist es, der den Weg geht? Was ist dieses Unbedingte?
Aber noch etwas: die Freiheit von der du sprichst, ist sie denn nicht doch an die jeweilige Situation gebunden und damit bedingt? (Ich denke, eben da überschneiden sich eben auch die relative und die absolute Ebene.)
Zum Weg: wenn ich dich verstanden habe, besteht er zunächst darin, sich immer schneller oder öfter seiner eigenen Bedingtheit/Verstricktheit gewahr zu werden und dadurch von gewohnten Reaktionsmustern ablassen zu können, wodurch man sich offen auf die jeweilige Situation (intuitiv) einlassen kann. Das schließt jedoch reflexives Denken nicht aus, wenn es erforderlich ist.
Das würde ich auch so sehen, und du hast es uns sehr anschaulich vermittelt.
Könnte es aber nicht genauso sein, dass eben auch die "Sternstunden" Resultat der verschiedenen Ursachenketten sind, die dazu geführt haben dass sie sich ereignen konnten? Das wäre eine andere Sichtweise, die gar nicht so absurd ist. Dann gäbe es keinen, der den Weg geht, sondern der Weg geht sich selbst.
soweit,
danke nochmals für dein Bemühen
beste Grüße
()
Michael
du schreibst:
"Der Ochse ist dieser unser Körper, den es gut zu behüten und zu ernähren gilt. Wenn er Hunger leidet, so leiden wir mit ihm und wenn es ihm gut ergeht, so haben wir Glück."
--dem möchte ich widersprechen:
in den ersten zwei Ochsenbildern geht es doch gerade darum, dass der verzweifelte bzw. suchende Mensch noch keinen bewussten Kontakt zu seinem Ochsen besitzt. er lebt quasi in einem Zustand, in dem jeder "normale" Mensch auch lebt, der sich nicht auf einen Weg der geistigen Schulung gemacht hat (Bild 1) bzw. macht sich auf die Suche, aber weiß noch nicht worum es eigentlich geht, d.h. ihm fehlen bisher eigene Erkenntnisse und Erfahrungen (Bild 2).
Schau dir doch am besten mal den Link an, den jemand weiter oben bereits geschrieben hat. Dort wird die Bedeutung des Ochsen erklärt und auch die Bedeutung jedes einzelnen Bildes und was es für den Zen-Übenden prinzipiell zu bedeuten hat.
das Treffen des Ochsen (Bild 3) bedeutet die erste (Selbst-)Erfahrung, die man auf dem Wege macht (besonderes Samadhi-Erlebnis, Kensho, Satori....), in den weiteren Bildern wird dieser Kontakt mit dem "eigenen Wesen" ausgebaut und vervollkommnet, bis man diese Trennung zwischen "erleuchtetem Geisteszustand" und "Normalbewustsein" so nicht mehr braucht und hat, der Ochse verschwindet wieder von der Bildfläche...
ich schreibe jetzt nicht alles, man kann es sehr schön auf der genannten entsprechenden Seite nachlesen.
ferner möchte ich noch folgendes Buch zum Thema empfehlen:
Lectures on the Ten Oxherding Pictures
von Yamada Mumon Roshi
wirklich sehr interessant, leider nur auf Englisch.
gastX-:
Der Ochse ist meines Denkens ein Sinnbild für die Illusion eines inhärenten Selbst.
Der Ochse ist dieser unser Körper, den es gut zu behüten und zu ernähren gilt. Wenn er Hunger leidet, so leiden wir mit ihm und wenn es ihm gut ergeht, so haben wir Glück.
Der Körper wächst und altert ohne unser dazutun. Wir haben ihn nicht erschaffen und können nur ansatzweise verstehen, wie wunderbar seine Milliarden Zellen und Kleinstlebewesen zusammenwirken. Man kann diesen lebendigen Mikrokosmos so betrachten, als handele es sich um viele Völker und Einzellebewesen mit unterschiedlichen Eigenschaften und Aufgaben, wobei uns Zeit Lebens die Rolle eines Königs oder einer Königin zufällt. Statt das Bild eines Königs, kann man ebenso das eines Ochsen und Hirten wählen.. Ein guter Hirte wird gewiss nicht nur mitfühlend zu seinem eigenen Ochsen sein, sondern ebenso all den anderen Hornochsen gegenüber, die ihm über den Weg laufen.
Um das Bildergleichnis zu entschlüsseln, scheint es mir ratsam zu sein über Leere und Form zu meditieren. Leere und Form sind eine Einheit und dennoch ist unter Form nicht das Selbe zu verstehen wie unter Leere. Geist und Körper bilden eine Einheit und dennoch ist unter Geist (im buddhistischen Sinn) etwas anderes zu verstehen, wie unter Körper. Deshalb handelt es sich ja um zwei Begriffe.
Wenn wir hingegen den Begriff Geist in abendländischem Sinn definieren, sehen wir darin Wissen, Vernunft, Bewusstsein usw., also etwas was wir als spezifische Form zu begreifen vermögen. Dies alles ist und bleibt jedoch Form! Wissen z.B. ist neuronale Form. Diese Wissens-Infos (hallo Reiner) sind rein körperlicher Natur und schnell vergänglich. Die Leere aber, von der man reichhaltig in buddhistischer Literatur lesen kann, ist in Worten nicht zu begreifen. Worte sind Formen, nicht aber die Leere, auf die hingewiesen wird.
Wenn nun der Hirte endlich erwacht, um auf seinen Ochsen zum behütenden Stall heim zu reiten, handelt er seiner Aufgabe gemäß, die vergleichbar ist mit jenem König, der seine Völker in Weisheit regiert und der auch zu allen anderen Königen und Hornochsen eine freundliche und verständnisvolle Umgangsweise anstrebt. Gute Hirten erkennt man übrigens an ihrer Heiterkeit, die aus der Einsicht erwächst, dass all die Freuden und Leiden des Ochsen in stetigem Wandel rasch vergänglich sind.
Eine solche Sichtweise (die über die allgemein übliche Unterscheidung von Ich und DU, Täter und Opfer hinausgeht/ tranzendiert) erzeugt naturgemäßen Widerspruch, zumal ich ja das Paradigma individueller Entscheidungsfreiheit (von zB. gut- und böse) in Zweifel ziehe. Einerseits finde ich solchen Widerspruch sehr angenehm, da in ihm Partei für die jeweiligen Opfer ergriffen wird! Andererseits entsetzt mich dieser Widerspruch, da er der Nährboden dafür ist, dem Täter (nach dem Motto Aug um Aug...) u.U. gleiches Leid zuzufügen wie das, was durch ihn in die Welt kam. (Das ist als wirft man zum Löschen Holz ins Feuer.)
Wenn wir es wirklich ernst nehmen, dass alles aus Bedingungen heraus entsteht, dann sollten wir die (systemischen) Bedingungen beachtsam ändern, statt ihre boshaften Auswirkungen mit Feindschaft und Gewalt gegenüber Individuen zu beantworten. Individuelles Handeln ist meines Denkens nur Ausdruck der jeweiligen Systeme in deren Fokus der Einzelne interagiert.
Mit anderen Worten: Wenn unser Mitgefühl auf diejenigen begrenzt ist, die uns vertraut und liebenswert erscheinen, sind wir geistig beschränkt und malen weiterhin am Bild von Freund und Feind, in welchem das Du dem Ich letztlich immer etwas Fremdes haben wird.